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Shortlist 2025

Fünf aktuelle Bücher hat die Jury des Literaturpreis Ruhr auf die Shortlist 2025 für den mit 15.000 Euro dotierten Hauptpreis gesetzt. Fünf herausragende Titel, die vom Ruhrgebiet handeln oder hier entstanden sind. Ein Novum: Alle nominierten Bücher stammen in diesem Jahr von Autorinnen, darunter drei literarische Debüts.

Für den Hauptpreis kamen herausragende Titel aus dem Ruhrgebiet und über das Ruhrgebiet infrage, die im Zeitraum vom 1. Mai 2024 bis 30. April 2025 in einem Verlag oder per Selfpublishing erschienen sind. 55 literarische Werke aus unterschiedlichen Genres standen auf der Leseliste der Jury. Wer den Hauptpreis gewinnt, wird während der Verleihungsgala am 10. September 2025 im Lehmbruck Museum in Duisburg bekannt gegeben. 

Die nominierten Bücher und Autorinnen (in alphabetischer Reihenfolge)



Çiğdem Akyol: "Geliebte Mutter – Canım Annem"

„Ich will ihn brennen sehen“, sagt Meryems Mutter Aynur in einem Telefonat und meint ihren Ehemann Alvin. Meryem fürchtet, Aynur könne den Vater wirklich mit Benzin übergießen und anzünden. Denn Gründe hätte die geliebte Mutter nach ihrer langen Zwangsehe genug. Furchtlos und sprachlich virtuos erzählt Çiğdem Akyol von einer Familie zwischen Istanbul und Herne in Almanya, von enttäuschten Hoffnungen, Gewalt – und der großen Sehnsucht nach Freiheit.

Çiğdem Akyol, geboren in Herne, studierte Osteuropäische Geschichte und Völkerrecht in Köln. Nach dem Besuch der Berliner Journalisten-Schule war sie Redakteurin bei der taz in Berlin und später Korrespondentin für die österreichische Nachrichtenagentur APA in Istanbul. Sie veröffentlichte mehrere Sachbücher zum Thema Türkei. „Geliebte Mutter – Canım Annem“, ihr erster Roman, war bereits für den Mara-Cassens-Preis nominiert. Sie lebt in Zürich.



Annika Büsing: "Wir kommen zurecht" 

Nah an den Protagonisten erzählt „Wir kommen zurecht“ von einer fast normalen Familie, die von der psychischen Erkrankung der Mutter beinahe erdrückt wird, und vom achtzehnjährigen Sohn Philipp, der sich entscheiden muss, unsichtbar zu bleiben oder für sich selbst einzustehen. Wieder ist Annika Büsing ein herausragender Coming-of-Age-Roman gelungen; diesmal gewährt sie Einblicke in eine verschlossene Teenagerseele. Ein leises Buch, das noch lange nachhallt.

Annika Büsing ist Lehrerin und Bochumerin. Sie studierte evangelische Theologie und Germanistik an der TU Dortmund und hat einige Zeit auf Island und in Hamburg verbracht. Für ihren ersten Roman „Nordstadt“ (2022) wurde sie mit dem Literaturpreis Ruhr, dem Mara-Cassens-Preis und dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Sowohl „Nordstadt“ als auch ihr zweiter Roman „Koller“ wurden für die Bühne adaptiert und an verschiedenen Theatern aufgeführt. „Wir kommen zurecht“ ist ihr dritter Roman.



Ines Habich-Milović: "Dein Vater hat die Taschen voller Kirschen" 

Ines Habich-Milovic ist mit ihrem ersten Roman eine figurensatte Familiengeschichte gelungen, die zwischen Montenegro und dem Ruhrpott Funken schlägt. Ein interkultureller Parforceritt durch die Jahrzehnte, von den Stufen einer orthodoxen Kirche in Montenegro über die Clubs in Bochum in den Achtzigern und Neunzigern hinein in eine europäische Kleinfamilie der Jetztzeit. Das ist plastisch und präzise erzählt, ebenso emotional wie unterhaltsam.

Ines Habich-Milović, in Gelsenkirchen geboren und in Oer-Erkenschwick aufgewachsen, lebt in Recklinghausen. Sie studierte soziale Arbeit in Berlin, Theaterpädagogik an der FH Osnabrück und arbeitete als Dramaturgie- und Regieassistentin am Schauspiel Essen. Als freischaffende Autorin und Regisseurin entwickelt sie dokufiktionale Theaterstücke und Stadtraumerkundungen und gibt Workshops an Schulen und für Unternehmen. „Dein Vater hat die Taschen voller Kirschen“ ist ihr erster Roman.



Judith Kuckart: "Die Welt zwischen den Nachrichten" 

Judith Kuckart ist Schriftstellerin, Regisseurin, Tänzerin und Choreografin. Und so ist ihr Buch „Die Welt zwischen den Nachrichten“ weit mehr als ein autofiktionaler Roman. Es ist eine zarte und gleichzeitig kraftvolle Einladung zu einem poetischen Tanz durch ein „normales“ Leben entlang des großen Weltgeschehens seit den 1960er Jahren – ein Schweben durch die Geschichte, das unweigerlich die eigenen Erinnerungen weckt.

Judith Kuckart wuchs in Schwelm, am Rand des Ruhrgebiets, auf. In Berlin, wo sie heute wohnt, studierte sie Literatur- und Theaterwissenschaften; an der Folkwang-Hochschule in Essen absolvierte sie eine Tanzausbildung. Ihr erster Roman „Wahl der Waffen“ erschien 1990. Es folgten zahlreiche weitere Romane, Erzählungen und Essays. Kuckart wurde mit verschiedenen Literaturpreisen und Stipendien ausgezeichnet. „Die Welt zwischen den Nachrichten“ war bereits für den Wilhelm-Raabe-Preis nominiert.



Mascha Unterlehberg: "Wenn wir lächeln" 

Anto und Jara, zwei Mädchen aus unterschiedlichen Milieus, verbindet eine intensive Freundschaft. Ihre Nächte sind geprägt von rebellischer Euphorie, Alkohol, krimineller Energie – und dem Gefühl, unverwundbar zu sein. Dann verschwindet Anto nach einer Gewalttat, und alles wird neu verhandelt. In knappen Sätzen beschreibt Mascha Unterlehberg mitreißend das Erwachsenwerden zwischen Wut, Schwesternschaft und Sehnsucht.

Mascha Unterlehberg, geboren in Mülheim an der Ruhr, hat Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte in Freiburg und Paris studiert sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sie arbeitete an Theatern in Deutschland und der Schweiz, war Finalistin des 27. Open Mike und nahm mit ihrem Debütroman „Wenn wir lächeln“ 2023 am Literaturkurs des Robert Musil Literatur Museums in Klagenfurt teil. Sie lebt in Leipzig.

Die Jury für den Hauptpreis

Beim Literaturpreis Ruhr gibt es zwei verschiedene Jurys für die beiden Kategorien. Die Jury für den Hauptpreis ist mit fünf, die für den Förderpreis mit sieben Personen besetzt.

Beide Jurys versammeln Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen des Literaturbetriebs: dem Buchhandel, der Literaturkritik, der Literaturwissenschaft sowie Autor*innen und Preisträger*innen. Auch Mitglieder des Kulturausschusses des RVR sind vertreten. Um eine kontinuierliche Erneuerung zu gewährleisten, wechselt die Zusammensetzung der Jury regelmäßig; kein Mitglied bleibt länger als fünf Jahre im Amt.

Jede Jury entscheidet unabhängig. Um sicherzustellen, dass die in der Satzung festgelegten Rahmenbedingungen eingehalten werden und keine unzulässigen Auswahlkriterien zur Anwendung kommen, ist bei den Jurysitzungen immer ein Mitarbeiter des Literaturbüro Ruhr anwesend.

Der Literaturpreis Ruhr wird das nächste Mal am 10. September 2025 vom Regionalverband Ruhr (RVR) und vom Literaturbüro Ruhr verliehen. 

Foto: Jörg Richard

Christa Becker-Lettow

ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im RVR und vom Ausschuss Kultur, Sport und Vielfalt in die Jury entsandt. Sie ist in Essen geboren, hat in Bochum studiert, wohnt in Castrop-Rauxel und arbeitet in Dortmund. Sie findet, viel mehr Ruhrgebiet geht fast nicht. Deshalb ist sie besonders gespannt auf Literatur mit Ruhrgebietsbezug. Bücher sind für sie existentiell. Dabei spielt das Genre keine Rolle. Als begeisterte dreifache Großmutter macht sie auch vor Kinderbüchern nicht halt. Sie findet, Erich Kästner hatte Recht: „Wer Bücher schenkt, schenkt Wertpapiere.“ Die diplomierte Sozialwissenschaftlerin ist Geschäftsführerin der SPD in Dortmund.

Foto: privat

Cathrin Brackmann

ist Journalistin, Moderatorin und leidenschaftliche Buchkritikerin. Seit gut zehn Jahren liest und empfiehlt sie Bücher für den WDR, moderiert Lesungen, trifft, interviewt und porträtiert Autoren. An der Akademie für kulturelle Bildung in Remscheid hat sie sich das professionelle Wissen für ihre besondere Herzensangelegenheit erarbeitet, die Literaturpädagogik für Kinder- und Jugendliteratur. Seitdem besucht sie regelmäßig Schulen und Kindergärten, um den Kindern, egal welchen Alters oder welcher Herkunft, spielerisch Literatur zu vermitteln. Cathrin Brackmann finden Sie immer mit einem Buch vor der Nase oder, z.B. beim Sport, auf dem Ohr.

Foto: Ira Schwindt

frank goosen  

geboren in Bochum, studierte Geschichte, Germanistik und Politik an der Ruhr-Universität. Er bildete 1992 mit Jochen Malmsheimer das Literatur-Kabarett-Duo Tresenlesen, das sich 2000 vorübergehend auflöste, 2020 wieder zusammenfand und seit 2022 auch wieder live auftritt. In den 90er Jahren war er an diversen Projekten in der Freien Bochumer Theaterszene beteiligt. 2001 erschien sein erster Roman „Liegen lernen“, der 2003 verfilmt wurde. Es folgten weitere Romane und Erzählbände, von denen einige verfilmt und für die Bühne bearbeitet wurden. Seine Bücher liest Frank Goosen selbst als Hörbücher ein, macht das aber bisweilen auch mit Texten anderer Autoren.

Foto: privat

Prof. Dr. peter goßens

Studium der Komparatistik, Neuere Germanistik und Italianistik in Bonn und Pisa. 1998 Promotion über Paul Celans Ungaretti-Übersetzung; 2011 Habilitation mit einer Arbeit über Weltliteratur. Modelle transnationaler Literaturwahrnehmung im 19. Jahrhundert. Seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter (Akademischer Rat) in der Sektion Komparatistik der Ruhr-Universität Bochum. 2017 Ernennung zum Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Publikationen zu Paul Celan, Giuseppe Ungaretti, Ingeborg Bachmann, Samuel Beckett, Pier Paolo Pasolini, zur deutsch-jüdischen Literatur, zur Wissenschaftsgeschichte, zur Theorie und Geschichte der literarischen Übersetzung.

Foto: privat

Patrick musial

Nach langjähriger Tätigkeit im Kulturbereich, unter anderem als Theaterreferent der Stadt Recklinghausen, Ausbildung zum Buchhändler; im Jahr 2017 Übernahme der 1990 gegründeten Buchhandlung Musial in Recklinghausen, der einzigen Buchhandlung weit und breit, in der man abends à la carte dinieren kann. 1994 als Musiker in einer Band ausgezeichnet mit dem Kulturförderpreis der Stadt Herne, 1999 mit dem „Grünen Kulturkaktus“ für die Organisation von Jazzkonzerten in der Altstadtschmiede Recklinghausen und 2019 mit dem Deutschen Buchhandlungspreis.

Die Jury für den Förderpreis

Foto: Camilo Pachón, Stiftung Künstlerdorf

Julienne de muirier  

ist Autorin für Prosa und Dramatik. Sie schrieb u. a. für Produktionen am Theater Oberhausen, Residenztheater München und dem Hessischen Landestheater Marburg. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit Entfremdung, dem Leben in der Diaspora und dem Ich. Ihre Prosa wurde in Zeitschriften wie BELLA triste, Das NARR und defrag Zine veröffentlicht. 2022 war sie Teil des Kurator*innenteams für den Band „Neue Töchter Afrikas“ und stand auf der Shortlist des Wortmeldungen-Förderpreises. 2023 schrieb sie für die Produktion „blues in schwarz weiß“ am Residenztheater München und erhielt für ihre Kurzgeschichte „Nachtfahrt“ den Förderpreis des Literaturpreis Ruhr.

Foto: privat

Inger Hachen-Jehring

Studium an der Universität Dortmund, Germanistik und Geographie auf Lehramt. Nach dem Referendariat ein halbes Jahr mitreisende Lehrerin beim Circus Flic Flac. Seit 2000 Lehrerin an einer Gesamtschule in Hilden. Mitautorin eines Deutschlehrwerks für den Cornelsen Verlag. Verheiratet, Mutter von zwei Kindern, mit Herz und Seele dem Hockeysport und der Politik verbunden. Sitzt für die CDU im Ruhrparlament, in die Jury entsandt vom Ausschuss Kultur, Sport und Vielfalt.

Foto: privat

Prof. Dr. Ralph Köhnen

geboren in Essen, studierte Deutsch, Englisch und Kunstgeschichte in Bochum, Berlin und München. 1994 Promotion an der RUB in Germanistik („Sehen als Text-Kultur. Intermediale Beziehungen zwischen Rilke und Cézanne“, 1994), Habilitation 2006 mit einer Schrift über „Das optische Wissen – mediologische Studie zu einer Geschichte des Sehens“. Seit 2007 Leitung der Literarischen Gesellschaft Bochum (mit Prof. Gerhard Rupp). Seit 1991 am Germanistischen Institut der Ruhr-Uni Bochum, apl. Prof. seit 2012. Forschungsgebiete: Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Literatur- und Mediendidaktik, Kultur, Musik. Letztes Buch: „Selbstoptimierung. Eine kritische Diskursgeschichte des Tagebuchs“ (2018).

Foto: Ivo Mayr | CORRECTIV

lea messerschmidt

hat einen Journalismus-Bachelor in Gelsenkirchen gemacht und studiert im Moment Philosophie und Literatur an der Universität Hamburg. Seit drei Jahren organisiert sie für die Jugendredaktion von CORRECTIV den Salon5-Jugendbuchpreis, der junge Perspektiven in der Literatur feiert und diesen eine Bühne gibt. Zudem war sie journalistisch unter anderem für die WAZ und das studentische Magazin „fudder“ der Badischen Zeitung tätig.

Foto: Tobias Heyel

karsten strack

studierte Germanistik und Medienwissen­schaften an der Universität Paderborn. Heute arbeitet er als Geschäfts­führer des Lektora-Verlags und als Künstlerischer Leiter des Literaturbüros Ostwestfalen-Lippe in Detmold. Nebenbei ist er als Dozent für die Bereiche Literatur-, Verlagspraxis und Kulturmanagement an verschiedenen Universitäten tätig. Im Jahr 2012 wurde Karsten Strack die Kulturnadel der Stadt Paderborn verliehen.

Foto: Andreas Fischer

Tilman Strasser  

geboren in München, ist Autor und Kulturkonzepter. Er studierte kreatives Schreiben in Hildesheim und arbeitete für Fernsehproduktionen, Zeitungen und literarische Institutionen. Seit 2011 lebt er in Köln und initiierte u. a. die WG-Lesungsreihe „zwischen/miete nrw“, das interdisziplinäre Lyrikfestival „Satelliten“, die Workshops der „Kölner Schmiede“. Er veröffentlichte den Roman „Hasenmeister“, das Theaterstück „Der Unbeugsame“, das Hörspiel „Der V-Komplex“. Für seine Arbeiten erhielt er Auszeichnungen wie den Hamburger Gast oder das Dieter-Wellershoff-Stipendium.

Foto: Martin Hase

Walter Wandtke

geboren in Bottrop, ist seit November 2022 Mitglied der grünen Fraktion im RVR und dort auch stellvertretendes Mitglied im Ausschuss Kultur, Sport und Vielfalt. Nach der Ausbildung zum Deutsch- und Kunstlehrer ist Walter Wandtke in der politischen Erwachsenenbildung sowie als freier Journalist tätig und in der alternativen Radioarbeit im Bürgerfunk aktiv.


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