Die Ausgezeichneten

 

Der Hauptpreis geht nach Bochum: An Annika Büsing für „Nordstadt“

Jede Ruhrgebietsstadt hat eine Nordstadt. Wer dort herkommt, startet mit schwerem Gepäck ins Leben – so wie Bademeisterin Nene und der arbeitslose, behinderte Boris. Im Schwimmbad lernen sie, nicht unterzugehen und einander über Wasser zu halten. Bei Büsing sitzt jedes Wort, sie seziert die Verhältnisse messerscharf und erzählt mit Humor und mit großer Empathie für die, denen von Anfang an wenig gegeben und viel genommen wird. Eine schnelle, raue Liebesgeschichte von robuster Sensibilität und mit Zuversicht: ein beeindruckendes Debüt.

Annika Büsing ist als Arbeiterkind im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen, mit einer ausgeprägten Vorliebe für Punkrock und Bücher. Nach dem Abitur schloss sie zunächst eine Ausbildung in einem Verlag ab, entschied sich dann aber, Germanistik und Theologie auf Lehramt zu studieren. Nach dem Studium zog es sie Richtung Norden, zunächst nach Island zum Jobben und Schreiben, dann nach Hamburg zum Referendariat. Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen wieder in Bochum, wo sie am Hildegardis Gymnasium unterrichtet. Die Liebe zu Punkrock und Büchern ist geblieben.

 

 

 

Annika Büsing nahm den Hauptpreis von RVR-Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel (rechts) entgegen. Links im Bild: Moderatorin Elif Senel. Foto: Dirk A. Friedrich

Die Laudatio aller fünf Jurymitglieder als Videocollage:

Der Förderpreis geht nach Dortmund: An Murat Kayi für „Walfred Zobel“

Der mit 5000 Euro dotierte Förderpreis wird in diesem Jahr Murat Kayi aus Dortmund für die Geschichte „Walfred Zobel“ zugesprochen. Der satirische Text, eine fiktive Biografie über den „Entdecker der Zukunft“, erschien in der Anthologie „Wie weiter? 25 literarische Aussichten zum Ruhrgebiet“, herausgegeben vom Netzwerk literaturgebiet.ruhr (Eichborn Verlag).

Murat Kayi war bisher vor allem bekannt als Musiker, als Singer- Songwriter, als Mitglied der Crew vom „Geierabend“ und als Moderator der WDR-Hörfunksendung „Liederlounge live“. Jetzt startet er eine zweite Karriere als Autor.

Aus der Laudatio von Jurymitglied Ralph Köhnen von der Ruhruni Bochum:

„Es ist tiefstes Mittelalter in Dortmund, von wo aus Walfred Zobel eine sagenhafte Bildungsreise antritt. Seine bleibenden Verdienste: der Friedens-Zobel-Preis für alle Prokrastinierenden und ein Unbehagen an Gegenwart und Vergangenheit, weswegen er als ‚Vordenker der Vorfreude‘ das Prinzip Zukunft entdeckt, ein Kompositum aus ‚Zuckung‘ und ‚Vernunft‘. Stilsicher navigiert Murat Kayi mit seiner humorvollen Chroniksatire zwischen Helge Schneider, Eulenspiegelschwank, Nibelungensage und Walter Moers‘ Käptn Blaubär.“

Murat Kayi (Mitte) hört mit Moderatorin Elif Senel (links) der Laudatio von Ralph Köhnen zu. Foto: Dirk A. Friedrich

Der Ehrenpreis geht nach Moers

Der undotierte Ehrenpreis für herausragende Verdienste um die Literatur im Ruhrgebiet geht in diesem Jahr an Ursula Friebel, Bibliothekarin in der städtischen Bibliothek Moers.

Ursula Friebel ist eine „unsung hero“ im besten Sinn, eine unbesungene, eher übersehene Heldin, die für all jene steht, deren unermüdliche Arbeit im Hintergrund das kulturelle Leben im Ruhrgebiet erst ermöglicht. Beim international und hochkarätig besetzten Krimifestival Moers war Uschi Friebel von Anfang an dabei; seit vielen Jahren liegt die Federführung, die Kuration und die Organisation des alle zwei Jahre stattfindenden Events bei ihr. Sie wirkt absolut bescheiden aus der zweiten Reihe, dabei ist sie Motor und Seele des Festivals. Aber das ist nicht das einzige Gebiet, auf dem sie sich neben ihrer Anstellung als Lektorin in der Belletristik und den üblichen Bibliotheksarbeiten (Informationsdienst, Ausleihe etc.) engagiert. So hat sie im Pandemiejahr 2021 das Projekt „Corona – Moers schreibt ein Buch“ mit auf den Weg gebracht, es lektoriert und herausgegeben. Ursula Friebel ist aktiv in der Moerser Gesellschaft zur Förderung der Literatur e. V., und auch im Netzwerk literaturgebiet.ruhr bringt sie sich ein.

Der Ehrenpreis ist kein Jurypreis, sondern er wird vom RVR in Absprache mit dem Literaturbüro Ruhr direkt vergeben. Die Laudatio auf Ursula Friebel hielt Eva Schmelnik-Tommes, ehemalige Leiterin der Bibliothek Moers, heute Abteilungsleiterin in der Stadtbibliothek Duisburg.

Ursula Friebel nahm den Ehrenpreis entgegen, der aus einer Skulptur des Künstlers Peter Schloss besteht. Foto: Dirk A. Friedrich