Nicolas Born-Tagung – 5./6. April, Duisburg

Die „Utopie des Alltäglichen“

Nachdenken über Nicolas Born (1937–1979)

Eine Tagung der Stadtbibliothek Duisburg in Kooperation mit dem Verein für Literatur Duisburg und dem Literaturbüro Ruhr e.V. zu den 40. Duisburger Akzenten

Freitag, 5. April 2019, 20:00 Uhr

Begrüßung und Einführung: Dr. Jan-Pieter Barbian

Vortrag mit Diskussion: Axel Kahrs

Nicolas Born als literarische Figur: Von Günter Grass und Hermann Peter Piwitt über Arnold Stadler und Andreas Maier bis zu Daniela Krien und Hilmar Klute

Samstag, 6. April, 10:30 bis 13:00 Uhr

Moderation: Antje Deistler

Prof. Dr. Anja Saupe

Wir auf der erdabgewandten Seite der Geschichte? Zu einem Roman von Nicolas Born

PD Dr. Christian Sieg

„Fertigmetaphern“ und „gefriergetrocknete Realismen“ – Nicolas Borns Streifzüge durch das literarische Feld

Prof. a.D. Dr. Erhard Schütz

„Das Unvorstellbare kann von unterdrückten Phantasien nicht erfunden werden.“ Zwischen Utopie und Science Fiction – mit Rücksicht auf Oton und Iton

Dr. Jan-Pieter Barbian

„[…] es erinnert mich an die Suche nach einem verschollenen Schiff“. „Utopie“ im Nachdenken Nicolas Borns

Samstag, 6. April, 14:00 bis 17:00 Uhr

Moderation: Prof. a.D. Dr. Erhard Schütz

Dr. Eckhard Schinkel

Nicolas Borns Ruhrgebiets-Erzählung „Libuda“: Erinnern im „Heimatdschungel“

Gerd Herholz

Resonanz und Ignoranz: Das Ruhrgebiet und seine Autoren im Werk Borns – Borns Wirkung auf Autorinnen und Autoren aus dem Ruhrgebiet

Katharina Born

Einzelheit, damals. Die Arbeit am Nachlass, verlegerische Realitäten und die Übergabe an das Archiv durch die Familie

Maren Horn

„Jahre später […] wurde […] eine Papierrolle gefunden“. Einblicke in das Nicolas Born-Archiv

Ort:

Tagungszentrum „Der Kleine Prinz“, Schwanenstraße 5, 47051 Duisburg

Eintritt frei / Voranmeldung unter 0203 283-2593

Dass Klaus Jürgen Born, der sich selbst später den Vornamen Nicolas gab, am 31. Dezember 1937 in Duisburg geboren wurde, ist das Verdienst der Polizei. Denn der Vater, Werner Born, war bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs bei der Duisburger Autobahnpolizei eingesetzt. Aufgewachsen ist Nicolas Born allerdings am Niederrhein. 1947 ging die Familie nach Essen. Da die Eltern das Schulgeld für das Gymnasium nicht bezahlen konnten, musste Born nach dem Abschluss der Volksschule eine Lehre als Chemiegraf in einer Klischee-Anstalt absolvieren. In diesem Berufsfeld arbeitete er bis 1965. Doch bereits seit den späten 1950er Jahren suchte er Auswege aus dem tristen Alltag. Er unternahm ausgedehnte Reisen auf den Balkan, nach Griechenland, in die Türkei und nach Syrien. Vor allem aber entdeckte Born die Literatur. Er besuchte Literaturkurse an der Essener Volkshochschule, organisierte Lesungen mit Heinrich Böll und dem Lyriker Ernst Meister, veröffentlichte 1960 erstmals eigene Gedichte.

Von November 1963 bis Februar 1964 nahm Born als Stipendiat der Ford Foundation am ersten, von Walter Höllerer moderierten Lehrgang des Literarischen Colloquiums in West-Berlin teil. Berlin wurde bis Ende 1968 zum neuen Lebensmittelpunkt Borns.

Zunächst inspiriert von den politischen Auseinandersetzungen und selbst engagiert im Protest der Studentenbewegung, entzog sich der Autor rasch der zunehmenden politischen Radikalisierung, die auch die Literatur zu vereinnahmen versuchte. Mit seiner zweiten Ehefrau Irmgard Masuhr lebte er für kurze Zeit im abgelegenen schwäbischen Nürtingen. Ab Oktober 1969 hielt sich Born als Stipendiat des „International Writers Workshop“ der Universität Iowa ein Jahr lang in den USA auf. Seither war der Einfluss der amerikanischen Gegenwartslyrik in seinem eigenen Schaffen deutlich ablesbar.

Nach seinem ersten eigenständigen Roman „Der Zweite Tag“ (1964), machte sich Born vor allem als Lyriker einen Namen. Seine Gedichtbände „Marktlage“ (1967), „Wo mir der Kopf steht“ (1970) und „Das Auge des Entdeckers“ (1972) waren große Erfolge. Borns Vorstellung von einer anderen, am Wert und an den Entwicklungsmöglichkeiten jedes einzelnen Menschen orientierten Wirklichkeit ist das Thema seines utopischen Kinderbuchs „Oton und Iton. Abenteuer in der vierten Dimension“ (1974). Neben zahlreichen Hörspielen, Essays und Übersetzungen amerikanischer Lyriker machte Born mit seinem 1976 zur Frankfurter Buchmesse erschienenen zweiten Roman auf sich aufmerksam: „Die erdabgewandte Seite der Geschichte“. 1977 reiste Born in den Libanon. Vor dem Hintergrund des damals dort wütenden Bürgerkriegs setzte er sich in seinem letzten, im Herbst 1979 veröffentlichten Roman „Die Fälschung“ kritisch mit der verzerrenden Wirklichkeitsdarstellung der Medien auseinander – ein Thema, das bis heute aktuell geblieben ist.

1973 zog sich Born mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in ein niedersächsisches Dorf an der Elbe, unweit der deutsch-deutschen Grenze, zurück. Hier engagierte er sich noch einmal politisch für den Erhalt der Umwelt und gegen deren Zerstörung durch die Atomkrafttechnologie. In Breese bei Dannenberg ist Nicolas Born am 7. Dezember 1979 an Krebs gestorben.

Die schönste Erinnerung an Nicolas Born ist die Beschäftigung mit seiner Literatur im Kontext der 1960er und 1970er Jahre. Die Tagung möchte den hinterlassenen Spuren nachgehen, indem sie zum einen zusammenträgt, was bislang an Erkenntnissen zum lyrischen, erzählenden und essayistischen Werk Nicolas Borns vorliegt, zum anderen neue Fragen an dieses Werk und seinen Autor vor dem Hintergrund einer bewegten Zeit stellt.